Schwarzer Montag.

Stell Dir vor Du kommst aus dem Weihnachtsurlaub zurück und David Bowie ist tot. Zurück ins home-office.

Als ich am Montag, 11.01.2016 die Nachricht über den Tod von David Bowie vernommen habe, ist der zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon sehr fragile, morsche Gemütsboden ein ganzes Stück weiter nach unten gerutscht. Die Bodenplatte hatte sich nochmal gesenkt. Schifferl versenkt. Die Welt steht unter Schock und ich falle mit ihr.

Das Wochenende davor habe ich, nachdem ich an den ersten Wochentagen und Nächten des noch so jungen Jahres mein Schneckenhaus brav verlassen und gute, wohltuende Zeit mit Lieblingsmenschen verbracht hatte, zuhause verbracht. Die Ausfahrt um mir das neue Album „Blackstar“ zu besorgen, das am Freitag, 08.01.2016 veröffentlicht wurde, hatte ich bewusst auf die kommende Woche verschoben. Es waren die letzten Tage meines Weihnachtsurlaubes die ich ohne Ausfahrt zuhause verbringen wollte. Es war der letzte Urlaub(sversuch) vorm final burnout. Ich wollte und hatte mir vorgenommen, dass diese zweieinhalb Wochen mir alle angesammelten körperlichen wie psychischen Angeschlagenheiten der letzten Jahre wegzaubern. Runterkommen, abschalten, auftanken, erholen, Familie, FreundInnen treffen, schlafen können. Durchstarten! Weitermachen!

Meine Erwartungen waren definitiv zu hoch angesetzt. Ein Ding der Unmöglichkeit und im Nachhinein betrachtet ein ziemlich lächerliches wie verblödetes Vorhaben von mir. Jetzt, wo ich schätzungweise den größten Teil aus dieser Zeit verarbeitet habe, die zahlreichen wie vielfältigen Stressoren sich gelegt haben, kann ich fast schon darüber lachen. Fast. Abstand halten zum Weltschmerz (= Summe der Ungerechtigkeiten und Missstände auf Planet Erde) ist nach wie vor keine leichte Übung für mich. Wohin mit all der Empathie?

Am Sonntag fühlte ich mich nicht nur wirklich kränklich, was bei meiner Rossnatur sehr selten vorkommt, sondern ich musste auch scheinbar grundlos heftig weinen, mir zum damaligen Zeitpunkt natürlich nicht und keinesfalls eingestehen, dass ich eigentlich schon länger nicht mehr kann wie ich will und mir der Gedanke an die bevorstehende Wiederaufnahme der (Tierschutz)Arbeit die Tränen in die Augen spülte. Wo war meine Stressresistenz, wo mein Funktionsschalter? Schließlich war ich es mehr oder weniger mein ganzes Leben lang schon gewohnt zu funktionieren. Und eigentlich ist es mein Traumjob!

Was war ich glücklich als wir uns auf dieses Arbeitsverhältnis eingelassen hatten. Für ein Herzensprojekt meiner Herzensmenschen arbeiten! Von zuhause aus! Kein pendeln in die große Stadt und all das. Es hatte gefühlt nur Vorteile und mein Leben wurde zum Traum. Ich hatte eine supersinnvolle Aufgabe, die wie kaum eine andere meinen Ansprüchen auf so vielen Ebenen zu entsprechen vermochte. Von Leben retten, über die Ethik bis hin zum dunkelbunten Humor war da ganz schön viel abgedeckt. Für die Tiere! Bewusstsein schaffen. Go for it! And i started to run. Again. Jetzt neu: im home-office. Hurra!

Nun, einundzwanzig Monate nach dem Tag, der mich dann angeschrien hat, dass es nicht mehr geht, ich nicht mehr kann, mich nach einem dreistündigen Heulkrampf überzeugt hatte, dass ich aufgeben, die Notbremse ziehen muss, könnte ich eine Anleitung schreiben, wie man sich vom Traumjob ins burnout manövriert. Wie man es richtig falsch machen kann in acht bis zehn Schritten. Ihr Weg zu gröberen Schlafproblemen, Herzrasenanfällen, gepflegtem Tinnitus abwechselnd mit Telefon läuten hören obwohl es das nicht tut, Konzentrationsstörungen, auch eher grob, die mit Ausfällen von Gehirnregionen begleitet werden, die sonst für mehr oder weniger lockerflockiges Denken, Sprechen und Schreiben zuständig sind.

Nächstes Symptom: Ihr Einsatz! Wie in einem Orchester reihten sich die Symptome nach und nach aneinander bis sie mir letztendlich alle zusammen den sprichwörtlichen Marsch geblasen haben.

„Aufgebn tuat ma an Briaf.“, wie der gemeine Volksmund sagt. Ich wurde fehleranfällig, sprech-, erinnerungs- und schreibgestört, übersah Dinge, Details die mich sonst angesprungen sind und so viel mehr und bin so nebenher ganz schön vereinsamt im Vereinsamt, während die LeserInnenschaft am Socialmediakanal bei Laune gehalten werden wollte und sollte. Und letztendlich ja auch musste. Es war mein Job. Es war mein Traumjob. So viel mehr als das.

Und dann leider nicht mehr. Ich hatte mich verausgabt. Meine Stressresistenz war gleich Null, mein Selbstbild schwer getrübt und angeschlagen, ich konnte die Ansprüche an mich selbst nicht mehr erfüllen, Körper und Seele eine Baustelle. Again. Grenzen setzen war noch nie meine Stärke, emotionalen Abstand halten ebenso wenig. Und am End hatte niemand was davon. Keine Freude bei keiner und keinem Beteiligten. Frust und Enttäuschung. Lange Zeit konnte und wollte ich nicht wirklich darüber reden, unfähig mich mitzuteilen. Ich fühlte mich als Versagerin und habe mich geschämt. Wo war das Supertopcheckerbunny, die Kämpferin in mir? Konnte mir selbst schwer verzeihen, wie ich es nur so weit kommen lassen konnte. Tja, danach ist man immer gescheiter. Und manchmal auch gescheitert. Ich weiß jetzt, was alles falsch gelaufen ist. Immerhin. Erkenntnisgewinn.

Heute vor zwei Jahren, an seinem 69. Geburtstag, zwei Tage vor seinem Tod, wurde David Bowies 25. Album „Blackstar“ veröffentlicht. Und obwohl ich das Album hatte, konnte ich es nicht anhören. Einige Male angespielt. Vergeblich. Es war im wahrsten Sinne zuviel. Too much too soon. Ich hatte genug von allem. Von allem was traurig und zermürbend war. Ich stolperte durch´s Leben. Schlechte Zeit um durchzustarten und ein Album anzuhören, von dem man weiß, dass es das letzte ist. Alles war so schwer.

Am Montag, 11.01.2016, als die Nachricht über David Bowies Tod die Welt ereilte, nahmen die Tränen ganz ungeniert ihren Lauf durch´s zerschlissene Nervenkostüm, keine Kraft mehr sie zurückzuhalten. In den folgenden Wochen und Monaten sollten sie sich zu jenem dreistündigen Heulkrampf formieren, der mir eine Entscheidung abgerungen hat. Die Dämme waren gebrochen, sie mussten ablaufen und ich konnte sie später reparieren. Der Pegelstand im Herzensbrunnen – da wo die Tränen herkommen – befindet sich wieder im Normalbereich. So far. Der Tag der Entscheidung war ein Dienstag. Auch in schwarz gehalten.

Montag, 08.01.2018. Heute war wieder mein erster Arbeitstag im neuen Job nach einem zweiwöchigen Betriebsurlaub. Und es war ein guter Tag in meerwasserblau gehalten.

Das Album „Blackstar“ ist wunderschön.

Ich finde Michael C. – Dexter- Hall macht das großartig:

Happy Birthday, Mr. Bowie! Danke, dass Du da warst and thank you for your music!

Höflichst, Veganita.