Himmelblase.
Vorbemerkung:
Dezember 2017. Die folgenden Zeilen sind Anfang Februar dieses Jahres, einige Tage nach der Urnenbeisetzung einer Freundin, aus mir herausgeflossen. Die Nachricht über ihren plötzlichen Tod hat mich schwer getroffen, in einer Zeit, in der mein Gemütszustand nicht der Beste war, stets versuchend hinsichtlich meiner aus den Rudern gelaufenen Lebenssituation – Burnout kannte ich damals nicht mehr nur vom Hörensagen – wieder zuversichtlich zu werden, die schwer erkämpften Zentimter Zuversicht zu erhalten.
Rückblickend betrachtet denke ich, dass ich mich mit dieser Gedankenspielerei trösten wollte. Trauerbewältigung. Teilweise hatte ich in der Nacht des Schreibens das Gefühl, dass C. und weitere Verstorbene zugegen waren. Klingt komisch, um nicht zu sagen verrückt, war aber so. Vielleicht bin ich ja auch etwas ver-rückt.
Viele Monate später denke ich mir, dass ich diesen Text auf der Festplatte verstauben lassen könnte, habe mich aber nun dazu entschieden, ihn zu veröffentlichen. For what it´s worth.
Himmelblase.
Februar 2017. Sollte ich sterben, und irgendwann werde ich das, because nobody gets out alive, und sollte ich vermisst werden, vielleicht tröstet die Vorstellung wie sehr ich mich freuen werde Sessions von Leonard Cohen, David Bowie, Ludwig Hirsch, Hansi Lang, Sigi Maron, Georg Danzer, Falco, Freddie Mercury, Jim Morrison, Kurt Cobain, Lou Reed, Pete Steele, Janis Joplin, John Lennon, Bob Marley, Jimi Hendrix, Elvis, Frank Sinatra und Sessions so vieler großartiger MusikerInnen mehr beizuwohnen. Die spielen und rocken jetzt alle live im Himmel.
Ich begegne allen Tieren denen ich in diesem Dasein von Geburt an begegnet bin und von denen ich mich im Laufe dieses Lebens verabschieden habe müssen. Wie viel Liebe da sein wird! Wiedersehensfreuden mit meinem Vater, Tanten und Onkeln, FreundInnen, liebgewonnenen Bekanntschaften, KollegInnen, Verbindungen die bereits vor vielen Jahren die Seite gewechselt haben und jene treffe mit denen ich hier verabredet war, es aber zu keiner Begegnung gekommen ist, weil wir uns – warum auch immer – verpasst haben, es sich nicht ausgegangen ist.
Ich setze jetzt einfach mal voraus, dass die alle zugegen und noch nicht reinkarniert sind. Sonst schaut´s wohl eher trüb aus im Jenseits, auf der anderen Seite, im Paradies, im Zwischendasein. Also das wäre der Plan: Wiedersehen und auch Kennenlernen neuer Seelen, Wesen, Bewusstseinsformen. Wir haben uns sicher was ausgemacht und werden uns erkennen. In aller Ewigkeit. We are connected. Einmal verbunden, immer verbunden. Auch wenn wir uns dessen nicht immer bewusst sind.
Hoffentlich sind nur die da, die ich auch wirklich sehen will. So himmelblasentechnisch. Einen Hitler brauch ich in meinem Himmel eher nicht – kommt ein Gedanke daher.
Und dann hab ich nochmal darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich mit ihm wohl über seine Kindheit reden und ihn fragen würde, was da so los war und was zur Hölle… Wäre er doch bloß zum Kunststudium aufgenommen worden. Vielleicht hätte sich sein inneres Kind in Bildern ausgetobt. Karmatechnisch jedenfalls eine Katastrophe, wenn ihr mich fragt.
Es treibt mich zu Franz Kafka weiter, der am 08.11.1903 in einem Brief an Oskar Pollak schreibt: „Wenn du vor mir stehst und mich ansiehst, was weißt du von den Schmerzen, die in mir sind und was weiß ich von deinen. Und wenn ich mich vor dir niederwerfen würde und weinen und erzählen, was wüßtest du von mir mehr als von der Hölle, wenn dir jemand erzählt, sie ist heiß und fürchterlich. Schon darum sollten wir Menschen voreinander so ehrfürchtig, so nachdenklich (…) stehen, wie vor dem Eingang zur Hölle.“
Ehrfürchtig und nachdenklich werden bei mir zu respektvoll und in gewisser Weise aus dem Blickwinkel eines Kindes: neugierig, interessiert, vorurteilsfrei und möglichst angstlos aufeinander zugehen, voreinander stehen.
Bevor ich eventuell wieder geboren werde, würde ich mich gerne mal so richtig ausruhen, erholen, das Erlebte wie das Überlebte und vermutlich auch das Hinübergehen verarbeiten, gute Schwingungen sammeln. Grundsätzliches Reflektieren, quasi. Gute Gespräche, friedvolle Stimmung, Immermeer, Musik, Kunst- und Kulturangebote nach Belieben. So richtig Zeit auszuatmen, Kraft zu tanken für eine neue Runde Leben spielen. In welcher Gestalt und wo dann auch immer. Vielleicht würfeln wir unser nächstes Leben oder ziehen ein Los mit der bevorstehenden to-do-list. Wer weiß das schon.
Wenn wir unsere Augen hier für immer schließen, öffnen wir sie auf der anderen Seite. Wir können uns nach Belieben in den Dimensionen bewegen. Wir sind nicht abwesend, nur für die eine Seite unsichtbar. Der Körper nur zeitliche Hülle und gleichzeitig heiliger Tempel den es zu achten gilt.
Hier zum letzten Mal ins Gras gebissen, warten drüben unendliche, saftige Wiesen auf die humorvollen VeganerInnen unter uns.
„The Grass Is Always Greener On The Other Side“
Bis wir einander wiedersehen bin ich im Wind, im Regen, in den Sonnenstrahlen, in den Wolken und auf den Sternen, im Rascheln der Bäume, im tanzenden Blatt. Manchmal bin ich vielleicht auch am Schlüssel der dir aus der Hand fällt, oder der Vogel, der scheinbar zufällig an dir vorüberfliegt, die Spinne, die du da so eigentlich nicht haben willst. Vielleicht bin ich auch mal ein Wink des Schicksals. Ganz sicher bin ich auch am Mond, im Meeresrauschen und in der Welle die die Steine und den Sand umspielt. Ich bin da.
Vielleicht bin ich auch in Deinem Herzen. Wenn Du mich dort spürst, ist das unsere Verbindung. Die Intensität kann variieren, je nach Verbindung eben.
So oder so: I see you. Vom feeling und der connection her.
„The Great Gig In The Sky“
PS: Meine Vorstellungen sind durchaus nicht ganz ausgereift und auch nicht ganz schlüssig. Wie das zeitlich mit den Wiedersehens mit den Voraus- bzw. Hinübergegangenen und den jeweiligen Reinkarnationen funktionieren soll, beispielsweise. Sobald ich das rausgefunden habe, lasse ich es dich wissen.
Update: Im Gegensatz zum Diesseits spielt die Zeit im Jenseits vermutlich keine Rolle.
Nachbemerkung:
Dezember 2017. Für den hoffentlich nicht gegebenen Fall, dass sich die eine oder der andere sorgt: Danke, mir geht’s gut, andernfalls würde ich diese Zeilen nicht veröffentlichen. Mein Hang mich mitzuteilen bewegt sich ziemlich deckungsgleich mit meinem Gemütszustand und meiner Lebensfreude. Froh, am Leben zu sein. Manchmal will es einfach raus. Manchmal hilft es. Mir zumindest. Fühlt sich angesichts des bevorstehenden Jahreswechsels wie ein mentaler Weihnachtsputz an.
„Sometimes we live, sometimes we die. Sometimes we cry.“ Und das ist okay so.
„Allein sein müssen ist das Schwerste, allein sein können das Schönste.“
Das kann ich so bestätigen. Ich genieße das Alleinsein generell, insbesondere und mittlerweile traditionellerweise am 24. Dezember. Urlaubstag. Ich schlafe aus, habe Ruhe, mache, höre oder sehe mir an was ich will, wann ich will, wünsche aber allen, die in diesen Tagen mit ihrer Stimmung und ihrem Gemütszustand kämpfen, die alleine sind obwohl sie das nicht wollen, sich einsam fühlen, jemanden vermissen der oder die in diesem Jahr verstorben ist, gut durch diese Weihnachtszeit kommen. Sie könnten sich die Mundl-Weihnachtsfolge anschauen. Lachen hilft und es vergeht etwas Zeit. So ein Feiertag hat auch nur 24 Stunden. Das FM4 Programm sei an dieser Stelle ebenfalls empfohlen.
Abschließend noch dieses wunderschöne Lied von Herrn Molden vom gleichnamigen Album „Es Lem“, zu hochdeutsch „Das Leben“.
Ich wünsche einen angenehmen Jahresausklang und einen freudvollen Auftakt in das Jahr 2018!
Falls Sie bis hierher gelesen haben, freut mich das. Danke!
Höflichst, Veganita.
Deine Worte sind wie Musik. Schöne Musik. Musik die auf verschiedenen Ebenen funktioniert. Mal berührt einem die Melodie, ein andermal reißt einem der Rhythmus mit und das nächste mal spricht einem der Text an. Unmittelbar weis man nicht warum einem die Musik gefällt – muss ja auch nicht sein – aber man spürt sie!
Soviel Gefühl, soviel Humor, soviel Gscheites und soviel (selbst)Ironie in einem Text! Wunderbar berührend.
Danke
Lieber Raimund, das ist eines der schönsten Komplimente ever zu meiner Schreibe und ich danke Dir sehr dafür. Fühl Dich herzlich gedrückt.
Danke für den wunderbaren und berührenden Text, ich glaube leider nicht an ein Leben nach dem Tod, aber wenn es eines geben sollte, dann möchte ich Dich dort treffen.
Bis dahin bin ich sehr froh und auch dankbar, dass ich Dich im Hier und Jetzt kennen darf.
Ich wünsche Dir Alles erdenklich Liebe, du gefühlvolle, gescheite Krähe!
Gerhard
Mein lieber Gerhard, danke Dir! Wie an anderer Stelle erwähnt, bin auch ich sehr froh und dankbar, dass wir uns begegnet sind. Fühl Dich geherzt.